Zur Siedlungsgeschichte von Buchholz (Müritz)

von Karl Erich Maaß

Ein Dorf siedlungsgeschichtlich betrachten, heißt es in seinem ganzen Wesen erfassen, ohne jedoch das Einzelne aus den Augen zu verlieren. Gilt das allgemein von jeder Siedlungsgemeinschaft, so kommt noch etwas Besonders für Buchholz hinzu: Buchholz ist ein Dorf an der Grenze, seine Feldmark stößt im Süden an die Prignitz, was für unsere Betrachtung nicht ohne Bedeutung ist. Geologisch ist hier folgendes zu bedenken: obwohl Buchholz in der südlichen Sandzone Mecklenburgs liegt, ist es doch eines der wenigen Rodungsdörfer im Süden, worauf sein Name (alt: Bockholt) hindeutet. Der Boden, durchaus nicht überall sandig, sondern z.B. im Westen lehmhaltig, wird eher durch den südlichsten Ausläufer der Müritz bestimmt, dessen Nebenseen oft die Grenze bilden und dessen moorige Ausweitung über den Schwarzen See nach Süden die Feldmark deutlich aufteilt. Hier war also offenbar das Roden nötig, worauf u.a. auch der alte Flurname (Rautzenbarg) hindeutet. Wie schon Gosselk und Neumann angeben, wurde der Einfachheit halber von den Kolonisten der Wald oft einfach abgebrannt, woran man noch bei den Flurnamen Brandwurthe und Brandwiese denken kann. Auch musste wohl die Feldmark stellenweise tüchtig entwässert werden. So gehört Buchholz zur Gruppe der sog. Hagendörfer, die durch Rodung entstanden sind. Diese sind in der Regel nur in der nördlichen Lehmzone Mecklenburgs vertreten, so vergleicht auch Folkers die Anlage von Buchholz mit den Hagedörfern Sievershagen, Völkshagen, Wulfshagen ( alle bei Rostock ). Diese Hagendörfer sind schmale Straßendörfer, auch Buchholz gehört dazu. 1273, als Nikolaus von Werle dem Nonnenkloster zu Röbel 13 Hufen verleiht, von denen 2 „in Bockholte“ liegen, tritt Buchholz in die Geschichte ein. Es bezeichnet ein Jahr, das noch vollauf in die Periode der Ostkolonisation, zur Rückeroberung des Wendenlandes durch germanische Stämme gehört. Als schmales Straßendorf ist Buchholz auch kein „verlängertes altes Slawendorf“, sondern eine Gründung von „wilder Wurzel“. Das bedeutet, um einen Ausdruck aus dem „Sachsenspiegel“ zu erläutern das hier Neusiedler Hufen zugeteilt bekamen, und zwar zu Erbzinsrecht, nicht nur zu Erbzinspacht. Wir dürfen mit Folkers annehmen, dass es sich bei Buchholz um eine deutschrechtliche Kolonialgründung handelt, die sich rasch entwickelte: bestand es doch vor dem 30-jährigen Kriege aus 24 Bauern. Die Frage, woher die Form des schmalen Straßendorfes kommt, ist nicht völlig geklärt. Jedenfalls setzt es sich deutlich vom breiten Straßendorfe ab. Viehanger, Nachtkoppel, die den Kern des Rundlings, des breiten Straßendorfes und des Angersdorfes bildet, fehlen. Es deutet weniger auf Viehzucht als auf intensiven Ackerbau hin, „steht somit dem Haufendorfe und selbst dem Wald- und Marschhufendorfe näher, dem urtümlichen Sippen-Einzelgehöft und seinem Agrarkommunismus, aber sehr viel ferner als die drei Dorfformen mit gemeinschaftlichem Viehanger“. Das schmale Straßendorf ist somit auch eine verhältnismäßig neue Siedlungsform, sie ist deutsch oder zum mindesten fränkisch. Entstanden soll diese Form sein aus militärischen Gesichtspunkten, um die Etappenstraßen zu sichern. „ Die Anregung aber sei den Franken von der am Rhein vorgefundenen römischen Siedlungsform der Straßendörfer, der sog. „Canabae“ gekommen, die sich im Anschluß an ein römisches Grenzfort längs der römischen Militärstraßen aufreihten“. Höchst merkwürdig ist nun, dass auch die Gehöftbauweise letzten Endes auf römische Vorbilder zurückgeht. Fällt Buchholz in seiner Gesamtheit schon aus der Reihe der typischen Niedersachsendörfer heraus, so ist hier auch kein eigentümliches niedersächsisches Gehöft zu finden, wo Menschen, Vieh und Vorräte unter einem Dach vereint wurden. Vielmehr sind in Buchholz Wohnhaus, Stall und Scheunen getrennt. Damit haben wir eine typische märkische Gehöftbauweise vor uns, die wiederum eine Abart der mitteldeutsch-fränkischen Bauform ist. Über die fränkische Ostsiedlung ist allgemein zu sagen, dass Vertreter fast aller deutschen Stämme in den Osten kamen, als Heinrich der Löwe Mecklenburg und Albrecht der Bär die Mark Brandenburg ab etwa 1100 mit Siedlern dem deutschen Volk zurückeroberten. In erster Linie wurden in diesem Grenzstreifen zwischen der Mark und Mecklenburg, zu dem Buchholz gehört, Friesen und Flamen angesiedelt. Erstere brachten das altsächsische, letztere das fränkische Siedlungshaus mit. Genauer ist natürlich die landschaftliche Herkunft der ersten Siedler schwer zu bestimmen. Vielleicht hat Fokers recht, wenn er neben Flamen besonders Holländer und Westfalen als Siedler annimmt. Vielleicht wird hier eine systematische Namensforschung weiterführen, immerhin deutet das Vorkommen der Bauernfamilie Maaß, Oldenburg, auf ganz bestimmte Landschaften hin. Auch die Gehöftbauten in Buchholz haben keine Züge altmecklenburgischer Langhäuser, die Wohnung, Stallungen und Scheune unter einem Dach vereinigen. Durchweg ist der Hof viereckig. Das Wohnhaus liegt entweder an einer Seite oder im Hintergrund des Hofes, die übrigen Seiten werden von Scheune und Stall eingenommen. Die vierte Seite nach der Straße zu schließt entweder ein Lattenzaun, eine Mauer oder die hier noch durchweg anzutreffende Torscheune mit der Durchfahrt im letzten Fach ( rechts oder links ) ab. Jedenfalls kommen „Wohnstallhäuser“ in Buchholz nicht vor. Die Scheunen des Dorfes haben immer Querdielen, die typisch niedersächsische Längsdiele fehlt ganz. So macht Buchholz in der Gesamtzahl seiner Bauernhöfe den Eindruck, als ob hier kleine Gutshöfe in einer Straßenzeile vereinigt wären. Abweichungen hiervon sind die mecklenburgischen Gutshöfe, die erst im 16. Jahrhundert entstanden, seit wann wir auch den Aufbau von Buchholz nach dem 30jährigen Kriege annehmen dürfen. Das Buchholz vorher weiter südöstlich an der Müritz gelegen hat, machte Flurnamenforschung wahrscheinlich. „Gutstypus“ der Gehöfte, basierend aber auf dem mitteldeutsch-fränkischen Gehöft ( schon wegen der Querdielen, s. Folkers 13 ), damit wäre die Einzelsiedlungsform in Buchholz hinlänglich bestimmt. Leider sieht Folkers 14 ) keine Möglichkeit, die in Buchholz einzigartig häufigen Torscheunen, die den Einzelhof nach der Straße hin schließen, siedlungskundlich auszuwerten. Sie sollten in der Regel nur vor niedersächsischen Bauernhäusern stehen; dass sie hier in Buchholz Bestandteile fränkisch-mitteldeutscher Gehöfte sind, ist merkwürdig genug, aber nicht näher zu erläutern. Damit sind Dorfgliederung und Gehöftbauweise in Buchholz hinlänglich erläutert und auf ihre historisch kulturellen Ursprünge zurückgeführt. Die neue norddeutsche Landschaft erwies sich geistig als starker Formungsfaktor, nur Dorfstraße und Bauten erinnern daran, dass hier aus einem Geiste gegründet wurde, der zäh und zielstrebig die Ostelbischen Lande deutschem Wesen zurück erwarb.

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